Hekate
auch: Hecate
Griechische pre-olympische Göttin der Wegkreuzungen, Schwellen und Übergänge, der Verwandlung, der Zauberkunst und Magie, Wächterin der Tore zwischen den Welten, Göttin der Erde, des Lebens, des Wachstums und auch Göttin des Todes.
Hekate ist eine der am meisten missverstandenen Göttinnen der Antike, um die sich viele Fehlinterpretationen und Fehlinformationen ranken. Sie wird meist auf ihren dunklen Aspekt der alten Frau an den Wegkreuzungen reduziert. Ihre ursprüngliche Rolle war jedoch sehr viel umfassender. Sie war eine „Große Göttin“, die Mondmutter, Himmelskönigin, Mutter allen Lebens und sie repräsentiert eine der ältesten Versionen der dreifachen Göttin. Im alten Griechenland war Hekate einer der vielen Namen für die ursprüngliche weibliche Trinität, die über den Himmel, die Erde und die Unterwelt herrschte.
Hesiod beschreibt sie als eine den Menschen sehr hilfreiche Göttin, sie schenkt den HirtInnen fruchtbare Herden, den FischerInnen volle Netze, den JägerInnen reiche Beute, den AthletInnen und KriegerInnen Erfolg und Glück im Kampf (bzw. Wettkampf) und sie ist neben Zeus die einzige Gottheit, die den Menschen jeden Wunsch erfüllen oder verweigern kann.
Die dunkle Frau aus Afrika
Hekate hat ihren Ursprung in Kleinasien. Sie wird auch die „dunkle Frau aus Afrika“ genannt. Die ägyptische Göttin der Geburtshelferinnen, Heqit oder Heket oder Hekat liegt ihr wahrscheinlich zugrunde. Diese hat sich wiederum aus der Heq, der Stammesmutter des vordynastischen Ägypten entwickelt. Letztere war eine weise Frau; sie beherrschte die „Hekau“ oder "mütterlichen Worte der Kraft" - Zauberworte, die entstehen oder zerstören lassen. Hekate ist damit die personifizierte Magie des Wortes.
In der griechischen Mythologie gilt sie als Tochter von Asteria und Perses und damit Urenkelin der Gaia als Titanin, die selbst von Zeus verehrt und gefürchtet wurde. Hekate ist die Göttin der Verwandlung und regelt alle Übergänge im Leben. Sie beschützt die Gebärenden und die Kinder bei der Geburt und ist dann auch Helferin beim Tod bzw. führt die Toten in der Unterwelt. Sie bewacht die Schwelle des Hades und führt mit ihrer Fackel die Suchenden auf ihrem Weg.
Bei allen Veränderungen anwesend
Sie öffnet uns die Tore ins Leben und ist bei allen Veränderungen anwesend, von Geburt, Wachstum, Reife, Alter, Tod und wieder in ein neues Leben. Sie wacht über die Pforten zwischen den Welten und kann uns nicht nur helfen, Pforten in neue Lebensumstände zu öffnen sondern auch die Pforten zu schließen, wenn wir Dinge hinter uns lassen wollen.
Diese beiden großen Schwellenübertritte im Leben eines Menschen sind die Zeit höchster Offenheit. Alle drei Welten stehen gleichsam zur Verfügung und bergen Gefahren für die Seele des Menschen. Dies geschieht auch bei den Schwellenübergängen von einer Lebensphase in die nächste. In diesen Zeiten haben Menschen oft das Gefühl, als würden Krisen und Depressionen sie verschlingen. Es erscheint den Betroffenen so, als befänden sich auf der Nachtmährfahrt der Seele. Sie erleben eine innere Hölle, irren in der (seelischen) Schattenwelt umher, fühlen sich mehr tot als lebendig, fallen in schwarze Löcher.
In diesen Zeiten riefen die Menschen der Antike die Göttin Hekate um Hilfe. Sie ist die Beschützerin auf diesen Irrfahrten der Seele. Sie kennt den Bannspruch, weiß die Zauberformel und gibt diese bereitwillig Preis, wenn man ihre Macht des gigantischen weiblichen Urmeeres der Seele anerkennt. Mit Hilfe der Hekate findet die auf dem Urmeer führungslos umher treibende Seele sicher die Inseln der (neuen) Klarheit und des Lichts. Eine der Zauberformel ist dabei Intuition, deren Göttin Hekate ist. Gerade bei Krisen- und Übergangssituationen, bei Entscheidungen und den Sprung hinein ins Neue, Unbekannte hilft meist nicht Logik und Verstand, das Erklärbare und Materielle. Es muss zumindest eine große Portion „Bauchgefühl“ her, um den richtigen Weg einzuschlagen oder das Licht am Ende des Tunnels wahrzunehmen. Hekate hilft Frauen mit Intuition und Innenschau ihr alltägliches Leben sinnvoll zu gestalten und sie unterstützt dabei, von Innen her zu handeln und zu entscheiden. Wurde Intuition lange belächelt, so wird diese selbst in der Business-Welt immer mehr anerkannt und eingesetzt.
Die weise Alte bei Neumond
Hekate ist eine der ältesten Mondgöttinnen. Ihre Mutter ist Asteria, die Göttin der Sterne und der nächtlichen Orakel.
Hekate hat Demeter geholfen, ihre Tochter Persephone (oder Kore) zu suchen und diese aus der Unterwelt zu befreien. Sie war die einzige, die merkte, dass eines Morgens jemand "Gewalt! Gewalt!" geschrien hatte, als Hades von allen anderen unbemerkt die junge Kore durch eine Erdspalte zu sich in die Unterwelt hinab zog. Und sie ist es auch, die die in der Unterwelt gereifte Persephone nach ihrem Aufstieg aus der Unterwelt fortan als Führerin und Begleiterin zur Seite hat. Hier spannt sich ein schöner Bogen zwischen dem Jungen und dem Alten, der Enkelin und der Großmutter, wie es oft auch in Frauenleben der Fall ist.
Als Trinität ist diese Göttin daher im Zeichen des zunehmenden Mondes die jungfräuliche Göttin Persephone, im Stadium des Vollmondes Demeter und die „Weise Alte“ Hekate bei Neumond. In anderen Überlieferungen gehörte sie auch zu der Trinität der Himmelskönigin, die aus der Jungfrau Hebe, der Mutter Hera und der Alten Hekate besteht. Eine weitere Variante der Mondfrau-Dreiheit besteht aus Artemis, die Jungfrau, Selene, die Mutter, und Hekate, die Alte.
Das Gestirn der Hekate ist daher der wandelbare Mond, den auch jede Frau spürt: Sie segnet alle Mondphasen und auch die mit ihnen verbundenen „Launen“ (von Luna = Mond kommend), die Frauen dazu befähigen, so vielfältig in ihrem Denken und Handeln zu sein.
Hekate der drei Wege
Die Kraft ihrer Dreifaltigkeit zeigt sich vor allem aber an Wegkreuzungen. Hekate wird häufig mit dreifachem Körper oder drei Köpfen dargestellt. Als „Hekate der drei Wege“ kann sie gleichzeitig in drei Richtungen schauen (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bzw. Unterwelt, Erde und Himmel). Sie hält bei Entscheidungen drei gleichwertige Varianten bereit. Hekate wird daher von Frauen besonders gerne um Unterstützung gebeten, wenn diese an „Wegkreuzungen“ ihres Lebens angelangt sind und sich entscheiden müssen, welcher Weg nun eingeschlagen werden soll. Sie lehrt die Weisheit, Dinge hinter sich zu lassen, Altes abzuschließen um Neues beginnen zu können.
Seit jeher wird diese Göttin daher besonders an Wegkreuzungen verehrt. Geschenke für die Göttin oder Statuen von ihr findet man noch heute auf Altären am Wegesrand, auf Friedhöfen sowie bei Hauseingängen und Türschwellen. Und sie steht auch am Eingang der Kasernen, wenn die jungen Rekruten einrücken und fragt sie nach dem Verbleib ihres Verstandes und wohin sie eigentlich wollen.
Um Hekate zu rufen, eignen sich daher Plätze, an denen drei Straßen zusammentreffen.
Die Bildnisse früherer Zeiten zeigen Hekate als schöne junge Frau mit zwei Fackeln, mit denen sie Suchenden ihren Weg erleuchtet. Später setzen sich die Darstellungen der alten Frau durch, die - oft in Furcht erregender Form - nachts in Begleitung von Hunden die Geister anführt. Geschichten von ihr erzählen, dass sie nachts mit ihrer wilden Jagd umher spukt und Wanderer erschreckt. Sie wurde zum Inbegriff der dunklen Magie und der Verschwörungen. Doch archäologische Funde zeigen ein ganz anderes Bild der Göttin, lichtbringend, jugendlich, segnend. Daher huldigen ihr auch Reisende bzw. Menschen auf der Wanderschaft vor und während ihrer Reise. Sie bringt uns Licht wenn wir in Dunkelheit wandern und unser Weg verloren ist. Dies gilt im eigentlichen wie im übertragenen Sinne für Wander- und Lebensweg.
Kröte und Frosch als universelles Symbol für Empfängnis
Dargestellt wird Hekate oft auch mit Schlangenhaar, mit drei Armpaaren und 6 Attributen:
Fackel (Führung),
Schwert bzw. Messer (als Symbol der Hebamme, die die Nabelschnur durchtrennt - nicht nur bei Geburten sondern auch bei anderen Lebensübergängen, in denen wir uns vom Alten abnabeln),
Dolch (für "stickhaltige" Argumente und Wortzauber),
Strick (um sich in letzter Not daran festhalten zu können=,
Schlüssel (Symbol für Übergang, Schwellen)
Schlange (Unterwelt)
Ihre geheiligten Tiere waren (schwarze) Hunde und Wölfe, die auch die Jagd repräsentieren. Meist ist sie von drei Tieren begleitet, die auch in die unterschiedlichen Richtungen schauen. Manchmal hat sie auch drei Tierköpfe (Hund - Stute – Stier oder Hund - Schlange - Pferd).
Als heiliges Symbol sind ihr auch die Kröte oder der Frosch zugeordnet, ein universelles Symbol für Empfängnis bzw. den Fötus. Es gibt übrigens christliche Darstellungen der Maria mit dem Frosch, die uns daran erinnern, dass Hekate, die Große Göttin, durch solche vorübergehenden Phänomene wie eine patriarchale Männerreligion nicht vernichtet werden kann.
Als Festtage bzw. eigentlich -nächte der Hekate gelten der 13. August und der 16. November. In der Nacht des 16. November bzw. in der Nacht des November-Vollmonds wird sie vor allem in ihrem Aspekt der Mondgöttin geehrt. Das ist ein guter Zeitpunkt, um an Wegkreuzungen kleine Gaben und Speisen für die Göttin zu hinterlassen als Würdigung der "kosmischen Hebamme", der Kraft der Prophezeiungen und der Innenschau.
Königin der Hexen
Hekate, die Göttin aus dem Altertum war besonders auch im Mittelalter sehr lebendig und wirksam. Von ihr kommen Prophezeiungen, Heilungen, Visionen und Magie. Sie wurde daher als Königin der Geisterwelt und der Hexen verehrt oder gefürchtet. (Die Wörter Hekate und Hexe scheinen auch den gleichen etymologischen Ursprung zu haben). Die katholischen Geistlichen verteufelten Hekate besonders, denn ihrer Meinung nach stellten jene Menschen, die sich unter den Schutz Hekates begaben, also die Hebammen, die schlimmste Gefahr für das Christentum dar. Ihr wurde schwarze Magie und allerlei Böses und Unheilvolles angedichtet.
Als Fruchtbarkeitsgöttin lehrt Hekate zudem auch den Dialog mit den Früchten der Erde. Damit übernimmt sie die zwiespältige Rolle der Heilerin und „Giftmischerin“. Hekate-Frauen kennen die Kräuter und Pflanzen, die Heilung, Linderung, aber auch Irrsinn und Leid bringen können. Wie wir wissen, liegt die Kraft von Kräutern und jeglicher Medizin in der Dosierung. Hekate ermuntert Frauen, sich kundig zu machen, um all ihr Wissen, ihre Kraft und damit auch die Kraft der Pflanzen dosiert einzusetzen. Bis heute als Heilmittel bekannt ist der "Trank der Hekate", ein Sud aus der inneren Weidenrinde (dem heiligen Baum der Hekate). Seine schmerzlindernde Wirkung verdankt dieses Heilmittel der darin enthaltenen Salicylsäure, die auch die Grundlage für unser heutiges Aspirin bildet.
Inkarnation aller Männerängste
Männer, die Hekate als Inbegriff der Macht der Frauen fürchteten, machten aus der fruchtbaren, lebensspendenden Mutter, das böse, alte Weib, unbe-“herr“-schbar und damit die Inkarnation aller Männerängste. Scheiterhaufen wurden aufgeschichtet, um die Macht der Hekate, repräsentiert durch die Frauen und Hexen zu zerstören. Wie wir wissen, ist dies nicht gelungen. Es wurden zwar unendlich viele Frauenleben zerstört, jedoch nicht die Frauenkraft. Hekate als die Hüterin der dunklen Höhle – der Gebärmutter und des Inneren des Labyrinths - hat ihre Macht nicht verloren. So verhilft sie Müttern (den biologischen wie den Verantwortung tragenden) zu einem gesunden Menschenverstand, der die Unterstützung patriarchaler Gewaltherrschaft boykottiert. Sie korrigiert das allgemein verlogene Mutterbild im Patriarchat, indem sie z.B. jeden einzelnen der jede echte Mutter beleidigenden Muttertage mit ihrer Abgründigkeit gehörig versaut. Hekate pflegt Muttertagssträuße als gemischten Salat zu verspeisen.
Die größte Bedrohung ist gleichzeitig die größte Macht
Auch heute noch werden Frauen physisch, psychisch und mental bedroht – um sie klein zu halten, vielfach aus Angst davor, dass diese besser, schlauer, stärker, geschickter sein könnten als Männer. Wo die größte Bedrohung ist, ist allerdings auch die größte Macht. Frauen, die von Männern bedroht werden, können sich die Kraft der Hekate zunutze machen. Es geht nicht darum, sich aus Angst klein und dumm zu machen. Indem Frauen sich der Energie der mächtigen Ur-Göttin, die auch in jeder Frau steckt bewusst machen, wird jedes ihrer Worte, Taten, Blicke zum Inbegriff der Stärke, Kraft und Macht.
Der Facettenreichtum vom Hekate spiegelt sich auch in ihren zahlreichen Beinamen wider:
Phosphoros (Lichtbringer)
Propolos (Führer)
Propylaia (Torhüterin)
Enodia (die am Wege)
Triformis (Dreifaltige)
Trioditis bzw. Trivia (Dreiwege)
Chtonia (von der Erde)
Melana (die Schwarze)
Skotia (die des dunklen Ortes)
Soteira (Erlöserin)
Kourotrophos (Pflegerin)
Perseis (Licht)
Kleidukos (Schlüsseltragende)
Ourania (Himmlische)
Atropaia (das Böse Fernhaltende)
Rufen, Bannen, Lösen, Wandeln und Gestaltgeben
Hekate hilft Frauen bei den alten magischen Künsten des Rufens, Bannens, Lösens, des Wandelns und Gestaltgebens. Frauen, die sich mit der Kraft von Hekate verbünden, finden klare Entscheidungen, überwinden schwierige Situationen, koppeln sich an die größte weibliche Ur-Energie an. Damit ist Hekate keine Göttin für Frauen, die sich vom Schicksal bedienen lassen wollen. Sie fordert Frauen auf, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Das heißt aber auch, sich dem eigenen inneren Chaos zu stellen, bereit zu sein, eine Reise in die Abgründe der eigenen Unterwelt anzutreten und dem eigenen dunklen Spiegelbild zu begegnen.
Hekate fordert Frauen auf, los zu lassen, einengende Situationen, bedrohliche Menschen zu verlassen und den Sprung ins Ungewisse zu wagen.
Die drei Reiche der Göttin
Die Begegnung mit Hekate bedeutet im Leben einer Frau, dass sie ihre Welt auf scheinheilige und scheinharmonische Aspekte genau untersuchen muss und jene Dinge, die in ihrem Leben nutzlos geworden sind, endlich über Bord wirft. Fällt dies schwer können Frauen, all das in einem Ritual Hekate übergeben, sie wird alles auf ihrem Komposthaufen wieder verwerten.
Hekate-Frauen erkennen und akzeptieren, dass alle drei Reiche der Göttin existieren: Himmel, Erde und Unterwelt - und dass alle drei ihren Platz im Leben fordern. Geschieht dies, wird jede Frau zur Hüterin der Geheimnisse um Leben und Tod, zu einer wirklich Wissenden, einer Magierin im besten Sinne des Wortes.
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